Der kleine Taschenbösewicht
Gemeinheiten für alle Lebenslagen
dtv, Taschen­buch, 6,95 €

Taschenbuch

Der kleine Taschenbösewicht schafft gute Laune. Er erleichtert das Dasein. Er liefert Soforthilfe für alle unwillkommenen Lebenslagen, von der Begegnung im Treppenhaus über den runden Geburtstag und den Handschlag mit dem Bundespräsidenten bis zum Grabspruch.
Wo immer Frechheiten zum Überleben wichtig sind, ist der Kleine Taschenbösewicht zur Stelle. Er bietet hinterlistige Komplimente, fiese Sprüche und trickreiche Lobreden. Er zeigt, wie man Blender mit knappen Bemerkungen kalt stellt und schwafelnde Wichtigtuer mit präzisen Fragen für immer zum Schweigen bringt.
Unterwegs zur Einladung und kein Geschenk dabei? Kurz im Taschenbösewicht nachschlagen. Gleich hier auf der Straße oder auf der Fußmatte im Auto liegen kostenlose Geschenke.

Das Buch zeigt knapp und gewitzt, wie man Blätter, Zweige, Zeitungsfetzen, Steine oder Feinstaub zu kostbaren Präsenten weiht und mit welchen Worten man sie überreicht.
Und natürlich verrät das Buch, wie man Konversationen befeuert, damit ein Abend wirklich lustig wird. Kann ja sein, dass das die Köchin trotz beschämender Leistung gelobt werden will. Oder dass ein aufgeblasener Gutmensch dringend mit spitzer Nadel gepiekt werden muss.

Vom Glückwunsch zur Geburt bis zur Trauerrede: Der kleine Taschenbösewicht liefert boshafte Sprüche, durchtriebene Weisheiten, schwarze Gedichte und frechen Rat. Er verhindert, dass es allzu höflich zugeht oder beklemmend feierlich wird. Denn das Leben ist lustig.

Der Kleine Taschenbösewicht: anarchisch – praktisch – gut

Leseprobe

Trauernde aufheitern

Bei traurigen Anlässen wollen wir den Menschen Trost und Mut zusprechen. Wir möchten ihnen unsere Verbundenheit beweisen und vielleicht schon Perspektiven für die Zukunft aufzeigen. Dabei sollten wir nicht zaudern und zu lange warten. Oft trauern die Betreffenden nach wenigen Tagen schon nicht mehr. Wir handeln rasch, mir schwarzem Rand und vollendetem Genuss.

Kurze Beileidsformeln

Für ihn war es wohl keine Erlösung, aber für euch. – Terry Jones

Ihr habt einen geliebten Menschen verloren, die Hölle hat einen Teufel dazugewonnen. – Marya Delvard

Seine Leber war ja für Transplantationen nicht mehr geeignet, aber stimmt es, dass er seine Netzhäute gespendet hat? – George Carlin

Hell wird es in unserem Leben erst, wenn andere in der Dunkelheit verschwinden. – Edgar Allen Poe

Das unbeschreibliche Licht, das Sterbende am Ende des Tunnels sehen, ist der Schein des Höllenfeuers. – Eric Idle

Das lebendigste Denkmal, das ein Mensch bekommen kann, ist der Wurm, der aus seinem Grab kriecht. – Viktor von Goethe

Wunschlosigkeit ist das schönste Geschenk des Todes. – Laotse

Die Toten sind nicht fort. Sie sehen uns jetzt nur von unten zu. – Charles Bukowski

Von den Toten bleibt auf Erden noch ein Schein zurück, selten zwei oder drei und noch seltener ein gut gefülltes Konto. – Hanns Heinz Ewers

Gräber sind das Beste, was diese Erde bietet. – Roland Topor

Hilfreiche Zeile, tröstliche Worte

In unserer Zeit kondoliert man am besten mit einer E-Mail oder einer SMS, oder wir twittern. Abkürzungen sind auch in Beileidsbezeugungen erlaubt, ja, angesichts der Plötzlichkeit des Todes sogar besonders passend. Als da wären: OMG – Oh mein Gott, AL – Alles Liebe, LG – Liebe Grüße, Mfg – Mit freundlichen Grüßen, Sry – Sorry, CU – See you, ASAP – As soon as possible, BFF – Best friends forever. Andere populäre Abkürzungen wollen wir bei einem Trauerfall zunächst vermeiden, es sei denn den Hinterbliebenen ist ähnlich zumute: LOL – Laughing out loud, ROFL – Rolling on the floor laughing, ROTFLMAO – Rolling on the floor laughing my ass off.

Hier sind einige Textbeispiele, die von der Prüfungskommission für Kondolenzschreiben wegen ihrer Prägnanz mit herausragend benotet wurden:

– „OMG! Doch nicht wirklich! Echt jetzt? Sry! LG Laura“
– „Kopf hoch und seid nicht traurig! Mfg Pascal“
– „Fühle tief mit dir! BFF Mandy“
– „Wow! Aber auch ein bisschen schade! CU ASAP Jessica“
– „Wie vergänglich das Leben ist, total irre! Denk an euch! AL Leon“

Trauernde Menschen, die dem Buddhismus nahestehen, haben eine besondere Hoffnung: die Reinkarnation, die Wiedergeburt. Ihren Blick können wir also leicht in eine frohe Zukunft lenken, indem wir sie freudig in ihrem Glauben unterstützen, hier einmal in Twitter-Länge (140 Zeichen):

„Euer Papa hatte so viel gutes Karma angehäuft! Sicher wird er bald wiedergeboren! Vielleicht in der Karibik, und ihr könnt ihn besuchen! LG!“

Als Anhang eignet sich hier und fast in jedem Fall ein aufmunternder kleiner Smiley. Bei überraschenden Verlusten darf es auch mal ein Smiley mit Träne sein, bei einem Autounfall gern ein kleines Auto-Icon, bei einem Sturz aus dem Fenster ein Haus. Die Instant Messanger stellen Icons für jeden Umstand des Ablebens zur Verfügung: Feuer, Wasser, Steinschlag, auch ein gewöhnliches Bett, ja sogar eine Schlinge. Die Angehörigen verstehen auf Anhieb die liebevolle Botschaft, die wir ihnen damit übermitteln: Hey, ihr seid nicht allein, Kopf hoch, Leute, so was kommt vor!

Eine Kondolenzkarte schicken
Einige unserer trauernden Freunde sind so betagt, dass sie wieder vergessen haben, wie man einen Computer bedient. Wenn wir sie anrufen, hören sie das Telefon nicht. Und sie besitzen zwar ein seniorentaugliches Handy, schalten es aber nicht ein. Ihnen müssen wir unseren Trost per Post zukommen lassen. Der Handel bietet für solche Fälle schwermütige Karten. Darauf sind Motive wie Waldlichtungen und Sonnenuntergänge, Meereswellen, Engel oder Kerzen. Unsere trauernden Bekannten bekommen viele solcher Karten. Sie werden davon depressiv. Wir wollen ihnen mit etwas Originellerem Freude bereiten.

So können wir zum Beispiel auf unseren Fundus fröhlicher Urlaubskarten zurückgreifen, die wir aus längst vergangenen Ferien ungenutzt nach Hause brachten. Motive wie der bunt belegte Strand von unserem Inselurlaub oder drei antike Säulen, wir wissen nicht mehr von welcher Ruine, die Ansicht unseres Clubschiffs oder die immer einsetzbare Karte „Sonne scheint/nicht, Essen prima/schwach, Stimmung gut/schlecht“ – all das sind hübsche Möglichkeiten, unsere trauernden Bekannten aufzuheitern und auf die schönen Seiten des Lebens hinzuweisen.
Sicher verfügen wir auch noch über reichlich Kunstpostkarten aus pflichtschuldig besuchten Ausstellungen. Und bestimmt haben wir noch einige jener Gratispostkarten, die es in Kneipen, Kinos und Cafés gibt, meist in einem Aufsteller auf dem Gang zur Toilette.
Diese kostenlosen Karten enthalten Werbung, doch gerade die ist den Trauernden ein willkommener Wink: Schaut einmal, es gibt noch mehr im Leben als nur Kummer!

Wenn wir jedoch tatsächlich Geld ausgeben wollen, sollten wir eine aufmunternde Spruchkarte wählen: „Lass dich bloß nicht stressen“, „Give me a smile“ oder „Das Leben ist kein Ponyhof“.
Positive Botschaften sind auch „Machen statt jammern“ oder „Hinfallen, aufstehen, Krone richten, weitergehen“. Unser Adressat wird von den humorvollen Weisheiten sogleich aus Gram und Selbstmitleid gerissen.
Wenn wir dem Verstorbenen dankbar sind, und sei es auch nur dafür, dass er endlich verstorben ist, können wir sogar die Karte mit dem einfach Aufdruck „Vielen Dank“ an die Familie schicken. Und sofern die Hinterbliebenen an Wiedergeburt glauben, dürfen wir die Karte „Glückwunsch zum Geburtstag“ wählen; wahrscheinlich haben wir noch eine in der Schublade. Nur sofern wir den Verblichenen nicht mochten, und wenn dieser Umstand den Hinterbliebenen bekannt ist, dürfen wir ehrliche Spruchkarten schicken wie „Good news on a bad day“ oder auch „Leider geil“. Aufrichtigkeit ist in dieser Stunde besonders wichtig und wird von den Hinterbliebenen zutiefst wertgeschätzt.

Tröstliche Verse

Die liebe Oma kehrt nicht wieder.
Sie fuhr allein zur Hölle nieder.
Dass sie ließ Haus und Geld zurück,
Das sei dir Trost, sei pures Glück!
– Arno Holz

Da, sieh nur seine weißen Haare!
Dein Vater ist auf jener Bahre
Fast wie lebendig anzuschauen!
Nur kann er niemand mehr verhauen.
Dies ist das Ende des Papas!
Jetzt wird er, was er stets war: Aas.
– Louise Otto-Peters

Jüngst sah ich sie noch an der Ecke stehen,
Die Lippen blau, die Augen rot.
Da sprach ich zu ihr im Vorübergehen:
Du alte Dame bist gewiss bald tot!
– Max Halbe

Kleiner Nachruf, am offenen Grab zu sprechen

Wieso steht ihr feixend am Grab vor mir?
Ich schlafe ja nicht, ich bin noch hier!
Ich zittre im schwebenden Feinstaub der Luft
Und ströme aus euren Gullys als Duft.
Aus Abgasen steige ich euch entgegen
Und netz’ euer Haupt mit schwefligem Regen.
Ich wehe aus eurem Schornstein als Rauch
Und leg mich im Läuseseim auf euren Strauch.
Ich tropf aus der Nase des Gartenzwergs
Und glänze im Strahlen des Kernkraftwerks.
Mit Zecken durchstreif’ ich die dorrenden Wälder
Und sinke als Mehltau auf herbstliche Felder.
Ihr hört mich im Schwirren der Taubenplage
Und riecht mich im Ausdunst der Kläranlage.
Ihr seht mich im Flimmern der Mülldeponie
Und schmeckt mich als Zutat der Nahrungschemie.
Und entdeckt ihr partout in der Welt mich nicht,
So spürt ihr mein Wirken als Rheuma und Gicht,
In eures Fiebers schweißiger Wärme,
Im drohenden Rumoren eurer Gedärme.
Ihr steht gar nicht weinend am Grab vor mir?
Dann wartet bis Mitternacht! Ich bin noch hier!

– Sioux-Häuptling Crazy Crow