Dietmar Bittrich
Der kleine Weihnachtsbösewicht
Gemeinheiten für alle Lebenslagen
dtv
Taschenbuch
7,90 €
Ja, zugegeben, das klingt paradox. Wir haben einfach schon zu viele Weihnachtsmänner gesehen, zu viele Verwandte erlebt, zu viele Bescherungen durchlitten. Ganz abgesehen von Gedudel und Gedichten.
Und doch, es ist möglich. Ja, Weihnachten kann richtig Spaß machen! Mit der nötigen Dosis Unverfrorenheit, mit knackiger Frische, mit diesem Buch.
Der kleine Weihnachtsbösewicht präsentiert die besten Tipps und Tricks für die härteste Zeit des Jahres. Mit den hier versammelten Frechheiten wird das Fest geschärft und geliftet. Es bekommt sein überfälliges Update. Damit es endlich wieder was zu feiern gibt.
Wie finden wir Geschenke, die Aufsehen erregen und zugleich nichts kosten? Wie bringen wir unsere Schwägerin zum Schweigen, möglichst endgültig? Wie werden wir den Onkel los, bevor er unsere edelsten Flüssigkeiten bis auf den Boden leert? Auf welchen Trip schicken die verkohlte Gans? Und wie verwandeln wir ein einschläferndes Familientreffen in ein sehenswerten Psychodrama?
Es ist überraschend einfach! Der kleine Weihnachtsbösewicht weiß Rat. Er schafft gute Laune mitten im Stress. Er bietet Erste-Hilfe-Tipps gegen säuselnde Schwärmer, schafft Abhilfe bei der grassierenden Engelplage und serviert Pointen gegen rührselige Stimmung.
Lassen wir es knistern! Weihnachten und trotzdem glücklich sein – jetzt klappt es!
Empfohlen von der Stiftung Weihnachtsfest
Richtiges Schenken ist eine Kunst. Wir wollen nicht einfach ins Einkaufszentrum gehen und ohne lange nachzudenken etwas kaufen, womöglich einen Geschenkartikel. Wir wollen etwas Persönliches schenken. Etwas, das vorhält und einen tieferen Sinn hat. »Den Menschen«, hat der Dalai Lama gesagt, »ist nicht damit gedient, wenn man ihnen viel Geld zusteckt oder ein teures Auto vor die Tür stellt.« Zwar hatten wir genau das vor. Aber nun machen wir es anders. Am besten so, dass wir Geld und Auto selbst behalten können. Und das schenken wir stattdessen:
Wetter-Patenschaft
Für Ruhmesbedürftige. Seit fünfzig Jahren geben Berliner Metereologen den Hoch- und Tiefdruckgebieten Vornamen wie »Albert«, »Berta«, »Charles«. Diese Namen erscheinen in den Zeitungen auf den Wetterkarten und werden in Radio- und Fernsehberichten genannt. Nicht immer, aber meistens. »Hoch Nadine bringt den Frühling.« Seit etlichen Jahren lassen sich die Meteorologen die Taufe bezahlen. Wer einen Namen aussuchen möchte, wer also ein Hoch »Chantal« oder ein Tief »Justin« nennen will, muss sich lediglich rechtzeitig bewerben und bei Benachrichtigung (»Ihr Tief ist im Anzug«) die Taufgebühr überweisen: dreihundert Euro für ein Hoch, zweihundert für ein Tief. Tolles Geschenk! Und kostenlos für uns! Denn wir klinken uns einfach ein. Im Wetterbericht wird nie ein Nachname genannt, immer nur ein Vorname, und mit etwas Glück der Vorname unseres Vaters oder unserer Patentante. Wir müssen nur im Dezember überprüfen, welche Namen schon fürs kommende Jahr vergeben sind. Wir gehen also auf die Seite www.met.fu-berlin.de und klicken auf »Wetterpatenschaft«. Im Jahr 2016 tragen alle Tiefs weibliche Vornamen, alle Hochs männliche; 2017 ist es umgekehrt und so weiter, Jahr für Jahr gleichberechtigt wechselnd. Wir schauen also in der Liste der vergebenen Vornamen nach. Die Anfangsbuchstaben A, B, C, D werden meist schon im Januar abgefeiert, dann geht’s alphabetisch weiter. Sicher finden wir einige Namen aus unserer Verwandtschaft oder dem Freundeskreis. »Tante Vanessa, ich habe eine Wetterpatenschaft für dich beantragt! Ein Hoch wird nach dir benannt! Es kommt im Frühsommer!« Das ist bei einem V-Vornamen wahrscheinlich. »Hier ist mein Antrag für die Patenschaft!« Den haben wir auf der Meteorologen-Website (www.met.fu-berlin.de/wetterpate) ausgefüllt und ausgedruckt, aber nicht abgeschickt. »Du wirst benachrichtigt, wenn es so weit ist!« Aufpassen müssen wir nun ein bisschen im Laufe des Frühlings. Oder auch nicht. Denn auf die Geste kommt es an. »Sag mal«, fällt Tante Vanessa im Sommer ein, »war mein Hoch eigentlich schon?« – »Ja, natürlich, diese tolle sonnige Zeit im Juni, die hieß Vanessa, wurde doch überall berichtet!« Na bitte.
Behindertenausweis
Für SUV-Fahrer. Lediglich ein Fünftel der in Deutschland kursierenden Behindertenausweise gilt als gefälscht. Das ist europaweit ein Minusrekord, der auf mangelnde Kreativität zurückzuführen ist. Die meisten Fälschungen werden von Fahrerinnen sogenannter Sport Utility Vehicles genutzt. Die großen komfortablen Geländewagen wurden zum Abholzen des Regenwaldes gebaut, sind aber auch zum Umnieten gewöhnlicher Radfahrer und unbeleuchteter Fußgänger geeignet. Fahrerinnen solcher SUVs werden beim Einparken durch Knirschgeräusche immer wieder an die Größe ihres Fahrzeugs erinnert. Damit sie nicht lange nach extra-großen Stellflächen suchen müssen, gibt es jetzt eine Interessengemeinschaft, die SUV-Halter mit Behindertenausweisen für die Windschutzscheibe versorgt. So ein Ausweis berechtigt zum Parken auf den ausgewiesenen Plätzen. Niemand in unserer Familie fährt einen SUV? Trotzdem wird jeder glücklich sein, in Zukunft überall mühelos einen Parkplatz zu finden. Schließlich fühlt sich jeder bei der Parkplatzsuche durch andere behindert! Der Ausweis klebt also zu Recht an der Windschutzscheibe. Einen modellhaften »Parkausweis für Behinderte« finden wir als ausdruckbare jpg-Datei im Web. Den erforderlichen Stempel ebenfalls. Das weitere Ausfüllen ist leicht. Das schafft der Beschenkte, wenn er nicht sehr eingeschränkt ist, sogar ganz allein.
Lichtnahrungsset
Für Vegetarier. Feine Messungen haben ergeben, dass auch Pflanzen eine Seele haben. Sie mögen manche Menschen (diejenigen mit »grünem Daumen«), bei anderen krümmen sie sich in banger Furcht. Sie zucken zusammen, wenn jemand sich mit dem Messer nähert. Sichtbar ist das kaum, jedoch messbar mit photoakustischen Detektoren. Pflanzen ein Blatt abzuschneiden, bedeutet Schmerz. Sie zu Scheiben, Streifen oder -Salat zu verarbeiten, kommt einem Gemetzel gleich. Wir hören die Pflanzen nicht schreien. Die Frequenz ist zu hoch für unser Gehör. Doch sie schreien. Was nun, Vegetarier? Wovon ernährt ihr euch, ohne einem fühlenden Wesen Schmerz zuzufügen? Ganz einfach: Unsere Tante, die schon seit Jahrzehnten Yoga macht, bekommt unser selbst gebasteltes Set »Lichtnahrung«. Von Lichtnahrung ernährt sich, wer gar nichts mehr zu sich nimmt außer Sonnenlicht, und wer ab und zu ein Gläschen Wasser trinkt, das nah am Fenster gestanden und Lichtschwingungen aufgesogen hat.
Wir schenken eine aus dem Web ausgedruckte Jahresübersicht über Sonnenaufgang (= Frühstück) und Sonnenuntergang (= letzte Mahlzeit des Tages). Dazu einen kleinen Handspiegel, mit dem sich das Tageslicht auch unterwegs unschwer auf die Zunge beamen lässt. Der Lichtnahrungsspiegel ist preisgünstig und laut unserer Expertise sogar »ausgezeichnet mit dem Erfinderpreis spirituelle Ökologie«. Lichtnahrung macht schlank. Manchmal extrem schlank. Unsere Oma, die in der Blüte ihrer Jugend auf indische Gurus hörte, kann sogar auf ein vorzeitiges Überwechseln in das Reich ihrer Meister hoffen: Erleuchtung dank Lichtnahrung.
Schild „Refugees Welcome“
Für Freiheitskämpfer. Den Flüchtlingsströmen dürfen wir uns nicht verschließen. Zuwanderung muss ein Menschenrecht sein und darf niemals von Kontrollen eingeschränkt werden. Millionen von Afrikanern und vielleicht auch Arabern und Asiaten und Einwohner des Balkan erhoffen sich bei uns ein besseres Leben. Sie sollen es bekommen! Europa darf keine Festung sein! Wir kennen mindestens einen Verwandten oder Freund, der so denkt. Wir möchten, dass er zu Weihnachten glücklich wird. Nicht nur durch Theorie. Bislang hat er ja seine Forderungen leider nur in Debatten einbringen können. Pünktlich zum Fest möchten wir ihm die praktische Umsetzung ermöglichen. Speziell für ihn malen wir das Schild „Refugees Welcome“. Er soll es gut sichtbar an seinem Haus anbringen. Noch schöner wäre es, wenn in jedem seiner Fenster eines angebracht wäre. Wir schenken ihm also mehrere Exemplare. Plus ein kleineres Refugees Welcome mit Hinweispfeil zum Anbringen neben seinem Klingelschild. Wenn wir noch liebevoller handeln wollen, bringen wir die Schilder gleich selbst bei ihm an. Am besten, während er oder sie gerade in seinem abgeschotteten Urlaubsresort weilt. Wie schön wird die Überraschung bei der Rückkehr sein!
Atomstromfilter
Für Energiebewusste. Energieversorgungsunternehmen bieten teure Ökostromtarife an. Die höheren Kosten garantieren ein grünes Gewissen, grünen Strom garantieren sie nicht. In den großen Transformatorstationen wird Strom unabhängig von der Herkunft eingespeist und gemischt. Anders geht es nicht. Ökotarifler bekommen denselben Strom wie Atomfreunde. Weil Atomstrom eine höhere Energiedichte besitzt, ist das für einige Haushaltsgeräte sogar förderlich. Nicht jedoch für das Gewissen. Nun haben Energie-Esoteriker ermittelt, dass der Drehstrom aus Atommeilern die gepulste Strahlung aus Mobilfunkstationen aufsaugt und via Steckdose direkt ins Wohnzimmer beamt oder gar ins Schlafzimmer sickern lässt. Die nachlassende sexuelle Kraft unserer Ökofreunde hat dort ihre Ursache! Zum Glück kennen wir die Rettung: den Atomstromfilter! Der Atomstromfilter lässt nur reinphasigen Strom aus erneuerbaren Ressourcen passieren, den dreiphasigen Drehstrom atomarer Herkunft erkennt er sofort, filtert ihn sicher heraus und schickt ihn postwendend an das Versorgungsunternehmen zurück! Wie sieht so ein Filter aus? Das einfachste Modell ähnelt bis ins Detail einer Steckdosen-Kindersicherung. Es kostet auch genauso viel. Es heißt sogar so! Wir kleben das selbst gedruckte Label Atomstromfilter auf und erläutern dem Beschenkten: »Durch eine Leuchtdiodenmatrix wird der eingehende Strom diagnostiziert und getrennt. Der unerwünschte Atomstrom geht sofort zurück. Der kleine Spannungsabfall wird dabei durch einen Gleichrichter abgefangen. Das Beste: Der Filter muss nur vierundzwanzig Stunden lang auf der Steckdose sitzen, denn die heutigen Energieleitungen sind lernfähig! Sobald atomarer Strom immer wieder zurückgeschickt wird, wird die Zufuhr sukzessive reduziert. Nach zwanzig Stunden kommt nur noch reiner Ökostrom an!« Und dann klappt es auch wieder im Schlafzimmer.
Haussegen
Für Paare. Die schöne alte Tradition, einen Haussegen zu überreichen, wird gerade wiederentdeckt. Und zwar von uns. Wir verschenken einen gerahmten Haussegen! Zum Beispiel an hoffnungsfrohe Paare, die sich gerade gefunden haben. Oder an junge Leute, die eben ihre erste Wohnung beziehen. Oder an ältere Leute, die ihre letzte Wohnung beziehen. Den Segensspruch entnehmen wir dem Web. Alle traditionellen Segensverse sind dort verzeichnet. Klassisch holpriges Beispiel: „Herr, bewahre dieses Haus mit allem, was geht ein und aus. Lass uns in Ruh und Frieden leben und dir dafür die Ehre geben.“ Moderne Segenssprüche gibt es ebenso reichlich. Wir schreiben einen dieser Sprüche ab – wenn wir Zeit haben, sogar handschriftlich – und fügen ihn in einen alten Bilderrahmen, den wir schon lange loswerden wollten. Und jetzt kommt es darauf an! Das Blatt muss unbedingt schief im Rahmen hängen! So als sei es verrutscht. Erst durch die Schräglage bekommt unsere Gabe ihre nachhaltige Note. Beim Auspacken wundern sich die Beschenkten und schlucken. Falls ihnen nichts auffällt, müssen wir sie darauf hinweisen: „Ach je, der Haussegen hängt ja schief! Na, hoffentlich hat das nichts Schlechtes zu bedeuten! Ach, nein, bestimmt nicht! Oder na ja…“ Der sorgenvolle Hinweis belebt die Feier und verleiht unserem Geschenk eine unvergängliche Wirkung.